Ätherische Öle müssen nicht zwangsweise als ätherische Öle deklariert werden – na ist das nicht ein schöner Satz gleich zu Beginn?
Oder: Ein ätherisches Öl ist ein Öl, ist ein Kosmetika, ist ein Lebensmittel, ist ein Medikament, ist ein Gebrauchsgegenstand – aber niemals gleichzeitig! Noch so ein Satz…
Vielleicht ist es Ihnen schon aufgefallen: Kaum ein Hersteller ätherischer Öle versieht seine Fläschchen mehr mit den bisher bekannten Gefahrensymbolen.
Woran liegt das? Gab es eine Gesetzesänderung? Sind die Öle plötzlich unbedenklich geworden?
Woran es liegt, ist alleine der Kommerz. Kein Hersteller will diese hässlichen Symbole auf seiner Flasche, denn sie behindern schlussendlich den Verkauf. Außerdem sieht es halt nicht chic aus, wenn auf einer Flasche steht, dass sie evtl. gefährlichen Inhalt in sich hat. Also was tun? Ganz einfach: Man verkauft die Öle nicht als ätherische Öle sondern als kosmetisches Mittel oder als Lebensmittel! Da muss nämlich nichts drauf stehen, was auf eine Gefahr hinweist! Oder haben Sie schon mal auf einer Packung Schokolade gelesen, dass Zucker Sie krank macht? Oder dass Sie der Saft der Zitrone verätzen kann? Eben!
Willkommen in der Welt der Industrie und Lobbyisten
Denn: Die Art und Weise, wie ein ätherisches Öl gekennzeichnet wird, hängt alleine von seiner Zulassung ab. Und so gibt es verschiedene Varianten:
- Als Verbrauchsmaterial / Gebrauchsmittel: etwa zum Beispiel für das Beduften von Räumen
- Als Hautpflegeprodukt / Kosmetikum: zum Auftragen auf die Haut, etwa in Schönheitsprodukten oder für Aromatherapie
- Als Nahrungsmittel: etwa zum Verfeinern von Gerichten
- Als Medikament
- Als Sonstiges: etwa als Tierfutter oder als Insektenschutzmittel
Die Anbieter dieser Öle müssen eine dieser Kategorien für ihre Produkte auswählen, da es gesetzlich vorgeschrieben ist. Da all diese Kategorien Vorteile und Nachteile haben, suchen sich die Hersteller die Kategorie aus, die gerade am besten passt – und alles sind ein und die selben Öle, teils sogar mit gleicher Chargennummer.
Doch nur weil ein Öl als Verbrauchsmaterial, Hautpflegeprodukt oder Lebens- oder Nahrungsmittel zugelassen ist, sagt das noch nichts über seine tatsächliche Qualität aus!
Ein Öl aus einer bestimmten Produktionscharge (aus dem gleichen „Behälter“) kann also für unterschiedliche Anwendungen zugelassen werden.
Viele Hersteller gehen also den Weg, den Kunden mit eventuellen Risiken im Regen stehen zu lassen, nur damit mehr verkauft werden kann.
Ich habe mal eine kleine Tabelle angefertigt, in der zu finden ist, was auf einer Flasche Öl wann stehen muss (oder müsste).
Erläuterung dazu:
- Ursprungspflanze: Sowohl der deutsche als auch der botanische/lateinische/wissenschaftliche Name
- Art des Öls: 100% reines Öl, genuine oder sonstiges
- Teil der Pflanze für die Ölgewinnung: Kann aus Blättern, Blumen, Zweigen usw. stammen
- Ursprungsregion: Die Region beeinflusst unter anderem die Qualität des Öls
- Methode der Ölgewinnung: Möglichkeiten sind Dampfdestillation, Pressung, Extraktion usw.
- Art des Anbaus: Optionen sind kontrolliert biologischer Anbau (kbA), demeter-zertifiziert (demeter), Wildernte (Ws) oder traditioneller Anbau (konv.)
- Verwendetes Lösungsmittel: Bei Extraktionsverfahren notwendig
- Verdünnung: Bei sehr hochpreisigen oder dickflüssigen Ölen, wie z.B. 4% türkische Rose in Jojobaöl – oft bei Rose, Jasmin, Iris
- Produzent / Hersteller: Kontaktaufnahme / Merkblätter / Haftung für das Produkt
- Zertifikate oder Überwachungsorganisation: Beispiele sind Natrue, Demeter usw.
- Haltbarkeit nach dem ersten Öffnen oder generelles Enddatum des Gebrauchs
- Anwendungsrichtlinien: Zum Beispiel für die Raumduftung oder als Aromatherapie-Kosmetik
- Vorsichtsmaßnahmen: Hinweise wie „nicht für Schwangere geeignet“
- Zutaten/INCI: Nur wenn es als Kosmetikprodukt zugelassen ist Gefahrensymbole gemäß EU-Richtlinien: Abhängig vom spezifischen Öl und nur wenn es als Gebrauchsgut zugelassen ist
- Empfohlene Dosierung: Zum Beispiel eine bestimmte Anzahl von Tropfen in einer bestimmten Menge Trägeröl, aber nur bei kosmetischer Zulassung.
Und wenn wir uns dann mal die Banderolen zweier großer Ölhersteller ansehen, dann finden wir Folgendes:
Es werden also alle nötigen Angaben gemacht, die gemacht werden sollten.
Doch warum überhaupt dieser Beitrag, wenn es doch eigentlich gesetzlich geregelt ist und für alle Hersteller das gleiche Recht gilt?
Nun, es liegt wie immer in der Sache des Kommerzes, dass sich einige Hersteller dazu hinreißen lassen, dies zu Werbezwecken auszunutzen.
Es gibt also Hersteller, die damit Werbung machen, dass genau IHRE Öle BESONDERS rein und BESONDERS gesund sind, weil sie doch, im Gegensatz zu anderen Herstellern, KEINE Gefahrensymbole auf ihre Flasche drucken müssen. Das ist also, nachdem Sie diesen Artikel gelesen hat, hoffentlich als Werbemasche entlarvt.
Dieser Umstand ist es übrigens auch, weshalb ich überhaupt diesen Artikel geschrieben habe: Ich als Dozent für Aromatherapie habe immer wieder überzeugte Anhänger dieser Ölehersteller, die MIR doch erklären wollen, warum deren Öle MEINEN Ölen weit überlegen wären. Meine Öle sind übrigens die Standartöle deutscher Hersteller. Und wenn ich den „Anhängern“ dann die Fakten und die Rechtslage erläutere, sind sie meist überrascht oder fangen das Recherchieren an. Zurück bleibt Schweigen…
Und nochwas in diesem Zusammenhang: Da diese Hersteller die Öle nicht als medizinisch wirksames Mittel vermarkten, sondern als Lebensmittel oder als Kosmetika, dürfen sie auch keine Aussage über Heilwirkungen tätigen! Weder auf dem Produkt noch in der Werbung dazu, auch nicht im Internet oder Youtube.